Von der Würde und dem Glück des «Homo Mechanikus»

Wer mit STOKYS unterwegs ist, weiss «Vom Glück, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen». In unserer Zeit hat sich dieses Glück rar gemacht. Der Autor Matthew B. Crawford ist dieser Sache in seinem Buch «Ich schraube, also bin ich» nachgegangen. Als promovierter Philosoph tauscht er seinen prestigeträchtigen Job in einer Washingtoner Denkfabrik mit dem Werkstattkittel – und findet grössere Erfüllung und intellektuelle Befriedigung als Motorradmechaniker. Er hinterfragt die zunehmende Entfremdung von der Arbeit durch hochtechnologisierte Prozesse und fordert eine Wiederbelebung der Wertschätzung für handwerkliche Fertigkeiten.

Autor Matthew B. Crawford: «Ich schraube, also bin ich»

Crawford beginnt seine Karriere als Philosoph an einer Universität. Er ist hochgebildet und intelligent, aber er fühlt sich in seiner Arbeit nicht erfüllt. Er fragt sich, was der Sinn seines Lebens ist und ob er seine Fähigkeiten sinnvoll einsetzen kann.

In seiner Werkstatt findet Crawford endlich die Erfüllung, die er gesucht hat. Er arbeitet mit seinen Händen und ist kreativ. Er repariert und restauriert alte Motorräder und lernt dabei immer wieder etwas Neues. Er findet, dass manuelle Arbeit mehr Befriedigung verschafft und grössere intellektuelle Herausforderungen birgt als jede Bürotätigkeit.

Neben der eigenen Lebensgeschichte und seiner Entwicklung vom Philosophieprofessor zum Motorradmechaniker geht Crawford auf die philosophischen und gesellschaftlichen Aspekte von manueller Arbeit ein. Er verwebt persönliche Erzählungen über die Intensität der Motorradwartung mit der reichen politischen und philosophischen Geschichte unserer Welt, in der Handarbeit scheinbar nichts mehr zählt:

«Was sie einst selber anfertigten, kaufen die Menschen heute normalerweise; und was sie einst selbst reparierten, übergeben sie einem Fachmann zur Reparatur, wenn sie es nicht überhaupt wegwerfen und neu kaufen. Und eine fachmännische Reparatur besteht heute oft darin, dass ein ganzes System ersetzt wird, obwohl nur irgendein winziges Bauteil versagt hat.»

 

Gefangen in der «Ingenieurskultur» der verborgenen Technik

Für Crawford ist die moderne Gesellschaft voller Fallen, die unsere Fähigkeit zur Kontrolle über unser Leben einschränken. Überall begegnet uns der Drang, alles «idiotensicher» zu machen: Ob Infrarot-Wasserhahn, Autos ohne Öl-Messstab, Haushaltsgeräte ohne Schrauben oder die offene Auto-Motorhaube, die nicht den Motor, sondern eine zweite Haube zum Vorschein bringt — anstatt unsere Welt besser zu machen, entfremden uns diese Technologien von jeglicher Kontrolle, vom Verstehen und dem Reparieren.

Crawford ist der Ansicht, dass wir die Wertschätzung für die Arbeit mit den Händen überdenken und diese Fähigkeit als wertvolle Intelligenz zurückgewinnen sollten. Sein eigener Lebensweg dient als Beispiel dafür, wie man die Fähigkeiten der Abstraktion mit der anspruchsvollen Natur des Handwerks verbinden kann. Hier sind einige der wichtigsten Erkenntnisse aus Crawfords Buch:

  • Manuelle Arbeit ist nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine Quelle von Befriedigung und Sinnhaftigkeit.
  • Manuelle Arbeit erfordert Kreativität, Problemlösungsfähigkeit und ein tiefes Verständnis der Welt.
  • Manuelle Arbeit kann uns helfen, uns selbst besser kennenzulernen und unser Potenzial auszuschöpfen.
  • Manuelle Arbeit ist ein wichtiger Beitrag zur Gesellschaft.

 

Rückgewinnung der Lust am Verstehen von Abläufen



Crawfords Buch (englischer Original-Titel «Shop Class as Soulcraft», «Werkstattunterricht als Seelenfertigkeit») ist ein Plädoyer für die Kunst des Handwerks. Er argumentiert, dass manuelle Arbeit uns nicht nur materielle Güter schafft, sondern auch unsere Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten fördert. Sie hilft uns, unsere Welt besser zu verstehen und uns selbst zu verwirklichen.

«Der Handwerker ist stolz auf das Produkt seiner Arbeit und behandelt es mit Respekt, während sich der Konsument in rastlosem Streben nach immer Neuem laufend durchaus brauchbarer Dinge entledigt. Wer sich ein halbwegs zutreffendes Bild vom Produktionsablauf machen kann, glaubt das Märchen nicht mehr, das uns die Werbung erzählt.»

Crawfords Buch hat eine breite Resonanz gefunden. Es wurde von Kritikern und Lesern gleichermassen gelobt. Das Buch wurde in mehrere Sprachen übersetzt und wurde in Deutschland mit dem «Deutschen Sachbuchpreis» ausgezeichnet.

«Ich schraube, also bin ich» ist ein inspirierendes Buch, das einen neuen Blick auf die manuelle Arbeit wirft. Es ist eine Einladung, sich auf die körperliche Erfahrung der Welt einzulassen und die Freuden des Handwerks zu entdecken.

 

Download PDF-Artikel vom Autor: «Shop Class as Soulcraft»

Dieser Aufsatz von Autor Matthew B. Crawford wurde später von ihm zu dem oben besprochenem Buch erweitert. Der 18-seitige Aufsatz in englischer Sprache kann hier heruntergeladen werden:

Download Shop Class as Soulcraft, Matthew B. Crawford